Innovation – für wen eigentlich?

Anja Meyer
CEO und Inhaberin

Innovationen bei Immobilien optimieren das Bauen und Bewirtschaften. Sie verbessern die nachhaltige Ressourcennutzung, ebenso Rendite und Planbarkeit von Investitionen. Vergessen gehen dabei die Wohneigentümer und Mieter. Wo drückt der Schuh, was sind die wirklichen Bedürfnisse? Welche Fragen beschäftigen die Menschen bei Besichtigungen vor Ort? Und welche Antworten können wir ihnen geben? Noch sehr wenige, leider, und kaum verbindliche. 

Potenzielle Mieter, aber auch mögliche Käufer von Wohneigentum finden irgendwelche Energiestandards, BIM oder revolutionären Verglasungen mit automatischem Verdunklungseffekt zwar spannend. Aber sie haben andere, drängendere Fragen: Wie lange bleibe ich hier wohnen, was, wenn Kinder kommen, wenn sie ausfliegen? Wenn ich mich weiterbilden und temporär finanziell einschränken muss? Und wie können wir uns als Paar, als Familie, als Patchwork-Community einrichten – und das immer wieder anders, weil die Lebensumstände solches ab und zu erfordern. Zum Beispiel eine Pandemie, die das Verständnis von Arbeitsort und Arbeitsplatz unerwartet schnell und nachhaltig auf den Kopf stellt. 

Immobilie – der Begriff sagt es schon

Nicht mobil, unbeweglich, fix und fest gebaut für 50 oder 100 Jahre. Immobil, so planen und rechnen wir an den wechselnden Bedürfnissen der Menschen, aber auch der Gesellschaft vorbei. Sollen sie umziehen, wenn sich die Umstände ändern. So kann man argumentieren, was aber wenig hilfreich ist, weil viele dort bleiben möchten, wo sie sich sozial vertraut gemacht haben. Vor allem aber verhindert diese Argumentation – Innovation.

Halle – ein Begriff als Versprechen

Wenn jetzt eine Genossenschaft in Zürich mit dem «Hallenwohnen» experimentiert, wird das zwar kaum eine Blaupause für zukünftiges Bauen durch Investoren sein. Aber das Experiment ist interessant: Wie organisieren sich Menschen, die ihren Raum selber ausbauen und wieder umbauen können? Welche Regeln vereinbaren sie für die Nutzung der gemeinsamen Flächen und Infrastrukturen? Man darf gespannt sein. Für den Moment besonders attraktiv scheint der Begriff «Halle». Er verspricht ein ganz anderes Sich-im-Leben-Einrichten als das Wort «Wohnung».

Elastische Modelle – Triebsatz für Innovation

Die Menschen haben gelernt, in Szenarien zu denken. Sie wissen, dass das Leben so oder so verlaufen kann. Und sie wollen sich verändern können. Dieses Bedürfnis kann ein kräftiger Triebsatz für Innovation sein. Was können wir anders bauen, neu nutzen und kreativ organisieren, um für die wechselnden Lebenssituationen attraktive Angebote machen zu können? Angebote, die nicht von allen begeistert begrüsst werden, aber mit hoher Wahrscheinlichkeit von einem wachsenden Anteil Wohnungs- und Eigentumssuchender nachgefragt werden.

Gefragt sind deshalb neuartige, elastische Lösungen für die Architektur, Raumorganisation, Finanzierung und Dienstleistungen, um nur einige Punkte zu nennen. Den Menschen und ihren Bedürfnissen sollen sich diese Faktoren elastisch anpassen können, nicht umgekehrt. Hier öffnet sich ein weites Feld für Innovationen.

Plattform – Zusammenspiel der Disziplinen

Es ist bezeichnend, dass sich viele Innovationen aus der ungewohnten Kombination von Bekanntem ergeben oder aus dem offenen Austausch zwischen unterschiedlichen Disziplinen. Interkulturell, Interdisziplinär und unter Nutzung von Diversität wird heute nachgedacht, entwickelt, geprobt und innoviert. Ein Ansatz, der in der Immobilienbranche kaum verbreitet ist. Plattformen dafür fehlen noch. Die meisten Ausbildungen sind nach wie vor stark auf einzelne Fachbereiche ausgerichtet. Abhilfe könnte der Ideenaustausch auf einer übergreifenden Plattform mit folgenden Themen schaffen:

  • Architekten und Planer könnten sich mit der Frage beschäftigen, wie sich Immobiles weitergehend als heute und kosteneffizient flexibilisieren lässt. Oder welche Raumprogramme wechselnde Bedürfnisse befriedigen können. Wie zum Beispiel sind zumietbare Räume von der Eigentumswohnung her zugänglich? Oder wie lässt sich um eine zweite Nasszelle herum auf einfache Weise eine Einliegerwohnung realisieren?
  • Gesetzgeber und Regulatoren könnten über Bauvorschriften und Bewilligungsprozesse nachdenken, die das Bauen schneller, vielfältiger und günstiger machen.
  • Investoren könnten ihren Wunsch nach attraktiven, weil modularen und veränderbaren Wohnräumen richtig adressieren. Und sie könnten ein neues Verständnis von Eigentum und Miete entwickeln. Gekauft wird nur ein Teil oder nur für eine bestimmte Dauer. Nur zeitweise notwendige Räume können flexibel dazu gemietet werden.
  • Anbieter von Tiny Houses könnten eine Service-Infrastruktur und Areale vorschlagen, auf denen sich die temporären Nomaden einrichten können. Zu welchen Konditionen, mit welchen behördlichen Auflagen?

  • Finanzdienstleiter könnten für alternative Nutzungs- und Besitzformen von Liegenschaften innovative Finanzierungsmodelle entwickeln, elastische Hypotheken sozusagen.
  • Bewirtschafter könnten zu bedenken geben, welche Folgen flexible Modelle für das Management von Gebäuden hat. Oder eine elastische Nutzung von Sockelgeschossen anregen: Je nach Tageszeit, Jahreszeit oder Wochentag bieten andere Geschäfte ihre Produkte und Services an.

Gefordert sind schliesslich die Vermarkter, smeyers immobilien zum Beispiel. Sie kennen den Markt und die wirklichen Bedürfnisse der Nutzer von Immobilien. Deren Anliegen, Wünsche und Fragen bringen sie ein. Der Beitrag hier, ein erster Versuch. Wird etwas daraus?